Susanne Grundmann, CEO OMD Germany, steht der Fachzeitschrift Horizont Rede und Antwort zu 10 Fragen rund um die Stimmung in Media-Deutschland.
Horizont
Politik, Bürger und eigentlich alle reden über Fake News, Hate Speech und die Polarisierung der Gesellschaft. Haben diese Diskussionen irgendeine Bedeutung für die Mediaagenturen? Und: Glauben Sie, dass sie irgendeine Auswirkung auf das Geschäft von Facebook und Co haben werden?
Susanne
“Im Kontext von Brand Safety und Brand Responsibility ist Hate Speech in Social Media grundsätzlich ein sehr wichtiges Thema für uns. Bei aller Emotionalität versuchen wir unsere Kunden faktenbasiert und proaktiv zu beraten. Eines ist aber auch klar: Punktuelle Werbestopps auf einzelnen Plattformen bringen langfristig gar nichts. Sich auf die Position zu beschränken, man sei Plattform und nicht ein Medium mit Verantwortung für Inhalte, wurde auf dramatische Art und Weise widerlegt, nachdem US-Plattformen dem US-Präsidenten Trump den Account gesperrt haben.”
Horizont
Nach Print jetzt lineares TV? Wird klassisches Fernsehen in den nächsten zwei Jahren deutlich Marktanteile verlieren? Wie viel Wachstumsfantasie steckt in den Digitalangeboten der deutschen TV-Konzerne und Verlage? Und ganz generell: Rechnen Sie 2021 mit deutlichen Verschiebungen im Media-Mix?
Susanne
“Bewegtbild ist für markenpräferenzbildende Kommunikation das zentrale Medium. Dazu gehört weiterhin und über 2021 hinaus das lineare Fernsehen. Dies schließt das Wachstum digitaler und non-linearer Streaming-Plattforen aber keineswegs aus. Wir leben im Zeitalter des “sowohl als auch”.”
Horizont
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: die Mediaagenturen stehen wirtschaftlich gerade massiv unter Druck. Wie schätzen Sie die Lage ein? Werden wir in diesem Jahr viele Sparrunden sehen, rechnen Sie mit einer Konsolidierung im Markt?
Susanne
“Große Krisen führen in fast allen Wirtschaftsbereichen häufig zu Konsolidierungen, keine Frage. Ich persönliche erlebe die Krise für unsere Agentur allerdings als Relevanzbeschleuniger in einer Zeit, in der viele den Mehrwert von Mediaagenturen angezweifelt hatten. Unser Beratungsfeld hat sich in den letzten zwölf Monaten maßgeblich erweitert, viele Fragestellungen unserer Kunden haben eine größere strategische Relevanz bekommen. In diesem Zuge hat sich auch unser Zugang ins Senior Management intensiviert. “
Horizont
Abgesehen von Corona: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Trends im deutschen Werbemarkt? Und worüber sollte die Branche 2021 dringend mal intensiver diskutieren?
Susanne
“Corona wirkt als Katalysator und Beschleuniger bereits existierender, längerfristiger Trends. So wird Online auch in diesem Jahr weitere Zuwächse verzeichnen. Digitale Live-Formate werden nachhaltig an Bedeutung gewinnen, ebenso Audio und Podcasting. Menschen sind soziale Wesen und brauchen die Interaktion, die sich auch nach Corona mehr und mehr in die digitale Welt verlagert. Der aktuelle Hype um Clubhouse lässt sich gut aus der cleveren Kombination der aktuellen Trends erklären. Wir sollten neben allem berechtigten Fokus auf Daten und Technologie wieder stärker über den Konsumenten sprechen und was ihn umtreibt. Empathie ist hier eine aus meiner Sicht enorm wichtige Kompetenz, die wir beherrschen müssen.”
Horizont
Wie heiß wird Tik Tok 2021?
Susanne
“TikTok war unbestritten der Shooting Star unter den Social Apps 2020. Das Wachstum von TikTok geht auch in 2021 weiter – es bleibt aber offen auf welchem Niveau. Momentan zeigen unsere Analyse-Tools grünes Licht für weiteres Wachstum: Top-Platzierungen bei Google Play und im App Store, steigende Followerzahlen bei Marken sowie ein dauerhaft hohes Suchinteresse nach TikTok bei Google. Auch für Content Creators und Agenturen bleibt die App aufgrund neuer Erlösmöglichkeiten weiter heiß. Im Bereich Ads sehen wir bei unseren Kunden wachsendes Interesse, Tik Tok besser zu verstehen und erste Learnings zu gewinnen. Kurz und knapp: Tik Tok bleibt auch 2021 eine Garantie für virale Hits, frische Creator und kreative Kampagnen. Wie bei anderen Apps in der Vergangenheit auch, werden sich viele Unternehmen die Investitionen in TikTok jedoch mittelfristig sehr genau anschauen und stärker eruieren, inwiefern die einen nachhaltigen Effekte auf Business- oder Brand-KPIs haben.”
Horizont
Mal abgesehen vom eigenen Network – wer ist für Sie der beste Mediaagentur-Manager Deutschlands? Und welcher Vermarktungschef macht aus Ihrer Sicht den besten Job?
Susanne
“Aus meiner Sicht basiert Erfolg auf erfolgreichen Teams. Ich bin kein Fan des Personenkults.”
Horizont
Wie sehen Sie den Zustand der Werbewirkungsforschung in Deutschland? Läuft alles in die richtige Richtung oder gibt es Korrekturbedarf?
Susanne
“Werbewirkungsforschung ist immer etwas Exploratives. Wir sind im globalen Vergleich grundsätzlich sehr progressiv, aber gleichzeitig auch sehr deutsch und selbstkritisch. Ich persönlich sehe eher ein Defizit in der konsequenten Implementierung eines KPI-Frameworks über Kanäle hinweg, das auf eine klar definierte Wirkungsgröße einzahlt. Eine weitere globale Beobachtung ist, dass Werbewirkungsforschung und damit ja auch Währungsfragen von den Joint Industry Committees hin zu einzelnen Marktpartner wie zum Beispiel Agenturen verlagert wird. Auch das ist ein Effekt der Dynamik in der Transformation.”
Horizont
Wem trauen Sie im deutschen Markt mehr zu: Accenture oder Mediamonks?
Susanne
“Den gut aufgestellten Mediaagenturen.”
Horizont
Was steht in Ihrem eigenen Unternehmen aktuell ganz oben auf der Agenda? Womit wollen Sie in den kommenden Monaten vor allem punkten?
Susanne
“Oberste Prämisse ist, unsere Kunden dabei zu unterstützen, schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen und sich damit einen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb zu sichern. Für uns als Agentur bedeutet das, dass wir verstärkt in interdisziplinären Teams Daten und Insights bearbeiten und dabei agil, innovativ und vor allem neugierig bleiben müssen. Dabei lege ich verstärkt einen Fokus auf Talent-Management und die Weiterentwicklung von unseren Talenten.”
Lesen Sie hier den vollständigen Horizont-Artikel von Jürgen Scharrer mit den Antworten von insgesamt elf Mediaagentur-Managern Deutschlands:
Teil 1 – https://t1p.de/zxa9
Teil 2 – https://t1p.de/02uw